Nordic Ice Skating in Norddeutschland

“Was machen wir, wenn das Eis nicht trägt?”, fragt mich Kim im Auto auf dem Weg von Hamburg nach Kiel. Es ist der dritte Tag mit Minusgraden und wir wollen Schlittschuhlaufen gehen. Durch Kims Frage komme ich jetzt aber ins Zweifeln und verfolge die gesamte Fahrt die Anzeige vom Autothermometer. Auf halber Strecke steigt es bis auf null Grad.

Seit der Schlittschuhtour um den Westensee vor einem Jahr bin ich fasziniert vom Touren Schlittschuhlaufen. Mich reizt dabei mit Vorsicht und Verstand auf das Eis zu gehen und dort einen einzigartigen Blick auf die Natur zu bekommen. Besonders für mich als Paddler, der das Gefühl gewohnt ist, allein mit dem Kajak in der Mitte von einem See zu sein, ist es überwältigend an derselben Stelle ohne Boot auf dem Wasser zu stehen zu können.

Die Norddeutschen Winter sind meistens nass, kalt und dunkel sind, aber nicht kalt genug für Eis. Normalerweise würde niemand auf die Idee kommen Schlittschuhlaufen auf Seen sein Hobby zu nennen. Ein Hobby, dass man nur alle paar Jahre für wenige Tage ausüben kann, erscheint sinnlos.

In Skandinavien sieht das anders aus. Touren Schlittschuhlaufen scheint dort Volkssport zu sein. Auf YouTube sehe ich Leute auf Meereis durch die Schären laufen oder auch mal durch die Innenstadt von Stockholm. Einige machen auch Touren über mehrere Seen verteilt. Ich gebe zu, das Thema hat mich gepackt und ich träume davon auch mal in Skandinavien über das Meer zu laufen.

Vergangenes Jahr waren aber für kurze Zeit selbst in Norddeutschland besondere Bedingungen: Der Westensee, einer der größten Seen Schleswig-Holsteins war zugefroren. Kim und ich sind einmal rund um den See 19 Kilometer mit den Schlittschuhen gelaufen. Damals war ich mit alten Leder Schlittschuhen ausgestattet, die ich kurz zuvor bei Kleinanzeigen für 15 € gekauft hatte. Die Schlittschuhe waren schrecklich unbequem und lange nicht mehr geschliffen. Ich muss von den seltenen Eindrücken wie auf Drogen gewesen sein, anders hätte ich die Schmerzen nicht überstanden.

Diesen Winter sah ich den Frost schon einige Tage im Voraus im Wetterbericht und bestellte mir echte Nordic Ice Skating Kufen aus Schweden. Die Kufen sind länger, um mehr Geschwindigkeit zu haben. Genau wie beim Kajak gilt: Länge läuft. Außerdem sind Kufe und Schuh getrennt. Mit einer Langlaufbindung, in der Regel die NNN BC, lassen sich Schuhe und Kufe verbinden. Der große Vorteil dabei ist, dass man nur ein paar Schuhe braucht und in denselben Schuhen zum See gehen kann, in denen man danach darüber läuft.

Kim und ich haben das Auto jetzt abgestellt und gehen die verbleibenden hundert Meter zum See. Wieder fragt mich Kim: “Und wenn das jetzt nicht hält?” “Dann haben wir wenigstens einen schönen Spaziergang gemacht.” antworte ich nur noch. Meine Erwartungen an das Eis sind während der Fahrt immer weiter gesunken, als das Thermometer zeitweise auf null Grad gestiegen ist. Vor uns ist die Badestelle, von wo aus wir auf den See kommen. Er ist flächig zugefroren. Das Eis am Ufer sieht gut aus. Jemand der vor uns hier war hat Löcher ins Eis geschlagen. Ich schlage auch eins mit dem Beil, dass wir dabeihaben, um zu sehen, wie dick das Eis ist. Kim ist immer noch sehr skeptisch, doch ich werde mit jedem Schlag aufs Eis optimistischer. Etwa 6 Zentimeter ist das Eis dick und es ist perfekt gefroren. Glassklar und frei von Luftblasen. So gut habe ich das Eis hier noch nie erlebt. Als Kind war ich oft hier Schlittschuhlaufen. Der See hat nur zwei kleine Zuflüsse und ist sehr flach. Früher hatte ich immer einen Schraubenzieher in der Tasche, um mich, falls ich einbreche wieder herausziehen zu können. Mit den neuen Schlittschuhkufen sind auch original niederländische Eispickel für Kim und mich im Paket gewesen. Die hängt man sich wie eine Kette um. So sind sie immer griffbereit und gleichzeitig am Körper gesichert. Zusätzlich habe ich noch einen wasserdichten Rucksack mit Wechselklamotten auf.

Meine Schlittschuhkufen machen die ersten Spuren auf dem Eis. Ich fühle mich, als ob ich etwas Besonderes entdeckt hätte, vor allen anderen. Gleichzeitig frage ich mich, ob es leichtsinnig ist, aber ich komme zu dem Schluss, dass alle Sicherheitsvorkehrungen gut sind und wir das Eis mit Bedacht getestet haben.

Johann konnte ich auch noch überzeugen sein Boulderdate abzusagen und zum Eis zu kommen. Wir laufen 4 Stunden lang über den See. Meine GPS-Uhr zählt zum Spaß die Kilometer. Am Schluss stehen 30 Kilometer auf dem Display. Kim und ich sind überglücklich diesen Tag ausgenutzt zu haben. Am nächsten Tag fallen 20 Zentimeter Schnee und damit ist der Fahrspaß auf Kufen vorbei.