Drei freie Wochen im Juli, zwei IKEA-Taschen voller Campingausrüstung und ein Plan: Kajak fahren in Skandinavien. Mit dem Tandemkajak von Göteborg nach Oslo paddeln. Was als spontane Urlaubsidee begann, wurde zu einem unvergesslichen Abenteuer durch die schwedischen und norwegischen Schären.
Die Idee
Als Freiberufler haben wir gelernt, Chancen zu ergreifen, wenn sie sich bieten. Drei spontane freie Wochen im Juli – das passiert nicht alle Tage. Kim hat die Idee: „Lass uns nach Skandinavien mit dem Kajak!” Die Fährverbindungen von Kiel machten die Entscheidung einfach: Kiel-Göteborg, Oslo-Kiel. 350 Kilometer Paddelstrecke bei durchschnittlich 20 Kilometern am Tag klingt machbar.
Für mich (Eike) ist es eine weitere Gelegenheit, das zu tun, was ich am meisten liebe: Mich nur mit Muskelkraft fortbewegen, ein Abenteuer erleben und vor allem die besonderen Orte entdecken, die man nur über das Wasser erreicht. Für Kim, die zwar schon mehrmals mit mir gepaddelt ist, aber noch nie so weit und so lange, bedeutete es Neuland. Ihre Vorstellung von perfektem Urlaub: draußen sein, an besondere Orte kommen, lesen, sich sonnen – und Campen in Maßen.
Tandem statt Solo
Aufgrund unserer unterschiedlichen Paddelerfahrung entscheiden wir uns für ein Zweierkajak. Der Stellar ST21 soll uns vorwärts bringen: 6,5 Meter lang, nur 56,8 Zentimeter breit und gerade mal 25 Kilogramm schwer. Ein echtes Rennpferd unter den Tandemkajaks.

Der Vorteil ist schnell klar: Nicht nur auf dem Wasser sind wir deutlich schneller, auch an Land müssen wir nur ein Kajak packen und transportieren. Der Nachteil: Der begrenzte Stauraum zwingt uns zu radikaler Reduzierung. Jedes Teil wird diskutiert.
Packliste für Tandem Kajaktour
Kategorie | Gegenstand |
Kajak | Stellar ST21 |
Paddel | Werner Ikelos* |
Spritzdecke | °hf Ocean Skirt* |
Schwimmweste | Kokatat Hustle* |
Paddelbekleidung | Paddeljacke* |
Paddelbekleidung | Neoprenhose* |
Paddelbekleidung | Fleece* |
Paddelbekleidung | Paddelschuhe* |
Paddelbekleidung | Boardshort*, Lycra T-Shirt |
Schleppleine | °hf Throw Tow* |
Sicherheit | Paddelfloat* |
Sicherheit | Lenzpumpe* |
Kompass | Silva Kajakkompass 58* |
Zelt | MSR Hubba Hubba* |
Zeltunterlage | MSR Zeltunterlage* |
Hängematte | Hängematte mit Moskitonetz* |
Isomatte | Exped Ultralight 3R LW* |
Schlafsack | Sea to Summit SPARK* |
Kopfkissen | Therm-a-Rest Compressible Pillow* |
Kocher | Trangia Kocher Duosal* |
Kocher | Trangia Gasbrenner Einsatz* |
Feuerzeug | Feuertstahl* |
Nudelsieb | Trangia Multidisc* |
Gewürze | Salz- und Pfefferstreuer* |
Besteck | Titanium Spork* |
Wassersack | Ortlieb Wasserbeutel 4L 2x* |
Wasserflasche | Nalgene Everyday 1L* |
Stirnlampe | Petzl Bindi* |
Bekleidung | Hose, Fleece, Regenjacke, Schuhe, T-Shirt, Unterwäsche |
Packsäcke | °hf Trockensack 2x2L, 4x6L, 1x12L* |
Kamera | Sony ZV-1* |
Unterwassergehäuse | SeaFrogs Sony ZV-1* |
Actioncam | DJI OSMO Action 4* |
*
Transparenz: Viele der Marken, die ich hier nenne sponsern mich mit Equipment.
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Wir wollen den Stellar ST21 gerne für weitere Projekte testen. Die Mädels von Liteventure haben uns dabei großartig unterstützt und das Kajak für die Reise zur Verfügung gestellt.
Ich arbeite seit einigen Jahren mit Liteventure zusammen. Durch ihre Unterstützung ist es möglich Baltic Surge weiter zu betreiben und besser zu machen. Falls ihr also auf der Suche nach einem neuen Kajak seid, schaut unbedingt mal bei ihnen vorbei.
Göteborg: Zwischen Containern und Seehunden
Mit unserem Kajak, dem Equipment in zwei großen IKEA-Taschen verpackt und einem kleinen Prijon-Bootswagen unter dem Bug rollen wir auf die Stena-Fähre. Das Kajak geht als „Fahrrad” durch den Check-in – und ist damit sogar kostenlos. Nach einer Nacht auf der Ostsee stehen wir morgens in Göteborg an der Rampe neben der Fähre, kaufen die letzten Lebensmittel und packen das Boot.

„Erster Kilometer von 23 geschafft!”, rufe ich Kim zu, als wir die erste GPS-Markierung unserer Tagesetappe passierten. „Oder der erste von 350 Kilometern. Kommt drauf an wie man es nimmt”, antwortet sie.
Kurz nach dem Start führt uns meine vorab bei Google Earth geplante „Panoramaroute” durch die ersten Schären – enge Stellen zwischen den Felsen, wo Motorboote mit ihrem Tiefgang nicht durchkommen. Als wir an einer kleinen Schäre vorbeipaddeln, huscht plötzlich ein ganzes Rudel Seehunde ins Wasser und beäugt uns neugierig. „Sobald ich Seehunde sehe, ist der Tag schon gut”, strahlt Kim. Besser hätte der Start nicht laufen können.
Erste Nacht auf Rörö: Himbeereis und Nationalpark
Die erste Nacht verbringen wir auf der Insel Rörö. Meine Route verläuft nicht nur an schönen Aussichtspunkten, sondern endet jeden Tag an einem perfekten Zeltplatz. Meist auf kleinen Inseln, die wir uns nur mit Schafen, Ziegen oder Kühen teilen.
Kaum haben wir unser Zelt an der Grenze zum Nationalpark aufgeschlagen, kommt die Sonne heraus. Nach einem Spaziergang gönnen wir uns im Hafencafé das wohl beste Himbeereis Schwedens. Sobald die Sonne scheint, ist es gefühlt fünf Grad wärmer und T-Shirt-Wetter. Unser Gedanke: Wenn wir nur ein paar schöne sonnige Tage erwischen, wird das ein guter Urlaub. Da wissen wir noch nicht was uns diesen Sommer erwartet.

Abends gibt es unser Standardgericht: Nudeln mit Tomtensauce und Zucchini. Ich grinse Kim mit einer Schnute voller Tomatensoße an. Paddeln macht hungrig, und niemand will einen hungrigen Eike erleben.
Åstol: Zeitreise in die Fischerei-Vergangenheit
Weiter geht es nach Åstol – eine autofreie Fischerinsel wie aus dem Bilderbuch. Mit windgeschütztem Naturhafen, weithin bekannter Fischräucherei, Restaurant und Badestelle. Etwa 150 Einwohner leben mehr oder weniger permanent dort, vor 50 Jahren waren es in der Blütezeit des Fischfangs noch einige hundert.
Im Dorfmuseum sprechen wir mit einem jungen Mitarbeiter: Heute ist die Insel vor allem im Sommer bewohnt – viele nutzen die alten Fischerhäuser nun als Sommerhaus. Die Gemeinschaft sei trotzdem noch sehr eng und sie hätten erst vor kurzem ein großartiges Mitsommerfest zusammen gefeiert erzählt er uns. Wir füllen unsere Wassersäcke auf und paddeln weiter. Aber vor allem Kim kommt ins Träumen. Wie wäre es wohl auf einer kleinen, felsigen Insel vor der Schwedischen Küste zu leben.
Paddle-in zu Fish ‘n’ Chips
Mit leerem Magen und schwer beladenem Kajak schaukeln wir langsam in den Hafen von Mollösund. Das Aussteigen in einem Seglerhafen ist meist so eine Sache – die Stege viel zu hoch, das Kajak instabil, der Hunger zunehmend ungnädig. Doch dann entdecken wir es: ein flaches Schwimmponton, direkt daneben ein Schild wie aus einem Paddlertraum – „Reserviert für Paddler“. Besser hätten wir es nicht treffen können. Wir lassen alle Wertsachen – bis auf die Powerbanks – im Boot und laden unsere Akkus beim Mittagstisch im Restaurant nebenan wieder auf.



Käringön: Radler und reiche Norweger
Wir queren über eine weitere Bucht, um nach Käringön zu gelangen, weil ich von einer früheren 1800-Kilometer-Tour weiß, dass es dort einen Supermarkt gibt. Denn eins der wenigen Luxusgüter bei uns an Bord ist das alkoholfreie Radler.
Wir laufen über die traumhafte Insel, wo ein süßes rot-weißes Schwedenhaus neben dem anderen steht. Sogar einen Tennisplatz entdeckten wir – das sagt schon etwas über das Klientel aus, das mittlerweile auf diesen Inseln anzutreffen ist. „Weniger Fischer, dafür mehr reiche Norweger”, hören wir. Irgendwo muss das Öl-Geld wohl hin.

Mit dem Radler ausgestattet paddeln wir zielstrebig zur ruhigen Nachbarinsel Vallerö. Ich kenne die Insel schon von zwei vorherigen Touren in der Gegend. Türkises Wasser und eine perfekte Zeltwiese erwarteten uns. So wie hier stellen wir uns die Lofoten vor. Dank des schwedischen Jedermannsrechts können wir kostenlos und legal unser Zelt aufstellen. Nur Naturschutzgebiete und ein Umkreis von 150m um Privathäuser sind tabu.
Auf Vallerö sind wir an diesem Abend nicht die Einzigen, die ihr Lager aufschlagen. Eine Gruppe Seekajakfahrer hat einen der Traumstrände bereits angesteuert. Schon von weitem sehen wir bunte Zelte am Strand und ein paar Kajaks. Sie sind mit Leihkajaks von Kajaktiv unterwegs, erzählen sie uns später, als wir kurz rüberschlendern. Für viele von ihnen ist es die erste längere Tour – aber gerade dafür ist dieses Revier perfekt: geschützte Gewässer, kurze Distanzen, unzählige kleine Inseln. Wer will, kann hier tagelang im Kreis paddeln, ohne sich jemals zu langweilen.
Gefährliche Ponys
Auf der Insel Keö erwartet uns eine ganz besondere Übernachtung. Kaum haben wir unser Zelt aufgeschlagen, taucht eine Herde Shetland-Ponys auf. Die kleinen, zotteligen Vierbeiner sind unglaublich neugierig und beschnuppern ausgiebig sowohl unser Zelt als auch das Kajak. Kim ist völlig hingerissen: „Können wir eins mitnehmen? Die sind so klein, die passen bestimmt noch ins Kajak!”, schwärmt sie, während sie vorsichtig eines der Tiere streichelt. Mir wird das Ganze allerdings irgendwann zu wild – die Ponys werden immer mutiger und ich bekomme Angst um unser Kajak. Schließlich muss uns das Ding noch bis Oslo bringen. Wer weiß, was den Ponys so einfällt, wenn man sie mal aus den Augen lässt.

Warum eigentlich Eike vorne sitzt
Übrigens: Anders als bei vielen anderen Zweierkajaks sind beim Stellar ST21 die Steuerpedale vorne montiert – deshalb sitze ich vorn. Das hat durchaus Vorteile: Der Vordermann sieht mehr, kann Hindernisse oder flache Stellen besser einschätzen und ungewollte Grundberührungen vermeiden. Außerdem ist der oder die Erfahrenere oft auch der bessere Schlagmann oder die bessere Schlagfrau. Den Gewichtsunterschied gleichen wir ganz einfach über die Gepäckverteilung aus – kein Problem auf einer Tour wie dieser.



Literarische Spurensuche in Fjällbacka
Da wir täglich nur zwei bis fünf Stunden paddeln, hat Kim abends immer genügend Zeit zum Lesen. Ganz oben auf der Liste stehen auf dieser Reise Krimis von Camilla Läckberg, die in Fjällbacka spielen – einem Ort, an dem wir noch vorbeipaddeln werden. Viele Ortsnamen auf unserer Karte kannte Kim bereits aus den Büchern. „Ah, hier ist Sälvik, da geht die Protagonistin immer baden!”

In der Mittagspause sonnen wir uns, genau wie die Schweden auf den Schären direkt am Wasser. Die ersten drei Tage hatten wir noch bewölktes Wetter mit leichtem Regen, mittlerweile knallt die Sonne täglich. So lassen sich auch Tage mit ungünstigen Winden leicht aushalten.
Bei Fjällbacka treffen wir auf einer Insel eine Gruppe schwedischer Paddler. Ihr Bruder und ihre Freunde haben Johanna zum 40. Geburtstag den Ausflug geschenkt. Deshalb haben sie extrem viel Essen dabei – Dinge, die wir nie unterbekommen würden. Sie laden uns zum Mitfeiern ein: „Doesn’t matter how much you paddle, we gonna make you gain weight!” witzeln sie rum.



Von Johanna erfahren wir viele Dinge über Schweden, die wir noch nicht wussten, obwohl wir schon häufig hier waren. Zum Beispiel interessante Fakten über Göteborgs Geschichte, eine Stadt die für den Handel gegründet und deshalb schon immer ein Ort mit vielen Einwanderern gewesen ist. Oder brutale schwedische Sportarten wie Bandy, eine Art extremes Eishockey auf einem Fußball großen Feld, von dem ihr Bruder einige Verletzungen davon getragen hat. Und Anekdoten über Sommerjobs als Teenager in Fjällbacka. Johannas Abiturfächer: Kajaken und Kettensägen. Sowas gibt es wohl nur in Schweden!
Koster Nationalpark: Konzert in der Kirche
Jeden Tag nähern wir uns der schwedisch-norwegischen Grenze. Direkt davor liegt weit draußen der Koster Nationalpark. Neben den Hauptinseln Nord- und Südkoster ist das Zelten nur auf Campingplätzen erlaubt. Wir recherchieren deshalb lange nach den Regelungen für den Nationalpark, bis wir uns für eine Nachbarinsel entscheiden, auf der wir schlafen. Auf Südkoster füllen wir unseren Pastavorrat auf, machen einen langen Spaziergang über die Insel und landen spontan in der Kirche – mitten in einem Konzert der Band Vardagsblå. Vier junge Songwriterinnen bringen die Bewohner von Koster zum Tanzen und Singen, und wir mittendrin. Wir sind mitten im Ferienparadies und beobachten gerne, wie die Schweden und Norweger selbst hier Urlaub machen.

Norwegischer Sommer: 32 Grad im Oslofjord
Skurril: Je weiter wir nach Norden kommen, desto wärmer wird es. Im Oslofjord erreichen wir 32°C Lufttemperatur und 21°C Wassertemperatur. Die Norweger erleben den Sommer ihres Lebens. Manche Touristen fahren mittlerweile im Sommer nach Skandinavien zur „Coolcation”, weil es ihnen im Süden Europas zu heiß ist. Dieses Jahr ist man hier dafür an der falschen Adresse.



Das Zelten ist in Norwegen etwas schwieriger als in Schweden. Auch hier gibt es das Allemannsretten, das norwegische Jedermannsrecht. Doch in der Fjordlandschaft gibt es weniger Inseln und mehr Flächen sind hier bebaut. Aber ein älterer Norweger beruhigte uns: „Wir sind sehr liberal. Stellt euch nicht direkt neben ein Haus, aber mit 120 Meter Abstand kannst du überall dein Zelt aufbauen. Nur vielleicht nicht bei den Reichen, die könnten etwas aggressiver sein”, scherzt er und empfiehlt mir eine Online-Karte mit eingezeichneten Zeltplätzen. Ein Tipp, der sehr hilfreich war.
Zieleinlauf in Oslo
So zelten wir nur zehn Kilometer vom Zentrum Oslos entfernt ruhig und vor allem schattig bei wieder über 30°C um 18 Uhr. Am nächsten Tag geht es über die Ziellinie. Wir haben uns sogar zwei Tage in der Stadt erpaddelt.



Wir buchen ein Hotel im Zentrum und erkunden Oslo zu Fuß. Unser Highlight: die Saunen der Oslo Badstuforening, übersetzt die Saunavereinigung. Einmal ausgeschwitzt lässt sich die Hitze erstaunlich gut aushalten, und wenn wir doch noch Abkühlung brauchen, gibt es unzählige Badestellen in der Stadt.


Was bleibt
Nach 350 Kilometern auf 14 Paddeltage verteilt rollen wir unser Kajak wieder auf die Fähre. Was nehmen wir mit? Die Erkenntnis, dass spontane Pläne oft die besten sind. Dass ein Tandemkajak nicht nur Kompromisse bedeutet, sondern auch neue Möglichkeiten eröffnet. Und dass die schwedischen Schären zu den schönsten Paddelrevieren gehören, die wir je erlebt haben.

Kim lächelt beim Einlaufen in Kiel: „Das nächste Mal nehmen wir aber mehr Zeit mit – es gibt noch so viele Inseln zu entdecken.” Ich kann nur zustimmen. Skandinavien, wir kommen wieder.
Das Stellar ST21 Tandemkajak wurde uns freundlicherweise auf unsere Anfrage von Liteventure zur Verfügung gestellt.