Vorsaison im Wattenmeer – Paddeln gegen 9 Beaufort

An einem Wochenende im März wollten Björn und ich mal wieder auf dem nordfriesischen Wattenmeer paddeln. Doch wir sollten noch so viel Wind bekommen, wie ich es dort noch nie erlebt habe.

Vor der Abfahrt rufe ich noch kurz den Hafenmeister von Hooge an, um herauszufinden, ob wir dort im Seglerheim mittlerweile wieder duschen können. Seit Corona waren die Duschen dort geschlossen. Ich erfahre, dass aktuell alles zugesperrt ist: Dusche, Toilette und Wasserhahn. Bodenfrost sei wohl ein Problem. Deshalb entscheiden wir uns nach Langeneß zu paddeln. Am Anleger können wir auf Toilette und auf Hilligenley gibt es für Paddler eine Dusche.

Es weht ein leichter kalter Wind, auf dem Parkplatz in Schlüttsiel ist kaum was los und wir sind die einzigen Paddler, die ihre Kajaks im Hafen bepacken. Das Wattenmeer scheint gerade erst durch die Sonnenstrahlen aus dem Winterschlaf zu erwachen. Von Schlüttsiel paddeln wir durch die Süderaue zum Anleger auf Langeneß.


Am Freitagabend schauen wir von unserem Zeltplatz auf die Warft Hilligenley und sehen den Blutmond hinter der Ebbe aufgehen. “So ein großer Mond muss doch bestimmt ordentlich am Wasser ziehen.”, rufe ich Björn rüber. Und tatsächlich: Die Internet Recherche ergibt es ist Springtide. Wir können mit besonders viel Tidenstrom rechnen, was später noch eine große Hilfe für den Rückweg zum Festland sein wird.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 5:45 Uhr. Wir wollen knapp eine Stunde später in den Kajaks sitzen, um mit ablaufendem Wasser nach Amrum zu fahren. Auf den Kajaks ist noch etwas Eis von der Nacht. Björn ist hochmotiviert und fragt, ob wir nicht auch um Amrum herum paddeln könnten. Ich finde die Bedingungen dafür nicht optimal und im Winter mit Trockenanzug sollte man lieber etwas Puffer lassen.

Auf der Sandbank zwischen Langeneß und Hooge liegt eine große Gruppe Seehunde. Wir lassen sie in Ruhe schlafen, bis das Hochwasser ihren Schlafplatz überspült und halten Abstand. Das große Fahrwasser Süderaue zieht uns raus aufs Meer. Aber es gibt keinen Grund ständig die Wasserstraße auf Verkehr zu prüfen: Es ist weit und breit kein Schiff zu erkennen.

Pünktlich zu Niedrigwasser kommen wir kurz nach 9 Uhr am Kniepsand auf Amrum an. Wir haben genügend Zeit für einen Spaziergang durch die Dünen und freuen uns was wir alles mit unserem Hobby erleben können. Die wenigen Spaziergänger auf der riesigen Sandbank müssen den ganzen Tag auf der Insel bleiben und wir können hier alles aus eigener Kraft erreichen. Von hier aus paddeln wir mit einem leichten Schlenker über die Norderaue zurück nach Langeneß.

Nach dem Duschen besprechen wir bei zwei großen Alsterwassern auf der Sonnenbank auf der Warft Hilligenley unsere Optionen für den Rückweg ans Festland. Morgen soll es stark aus Osten wehen, also genau von vorne. Die Fähre fährt aktuell nur einmal am Tag um 16 Uhr, wahrscheinlich weil noch Vorsaison ist. Wir würden gerne schon vor der Fähre wieder zurück an Land sein, um nicht erst im Dunkeln in Hamburg wieder anzukommen. Aber die Bedingungen sind mit 7-8 Beaufort aus Osten grenzwertig. Wir entscheiden uns am nächsten Tag einen Versuch zu wagen und reden uns ein, dass die Springtide uns genügend Unterstützung gibt.

1,5 Stunden nach Niedrigwasser paddeln wir schon los, um im Zweifel noch etwas Puffer für die letzten Kilometer zu haben. Dadurch haben wir auf den ersten 6 Kilometern im Langeneß Fahrwasser auch noch guten Wellenschutz durch die Sandbänke, die noch nicht vom Hochwasser überspühlt sind. Vor dem Übergang ins Schlüttsieler Fahrwasser werden die Bedingungen aber deutlich anspruchsvoller. Tidenhub, Wellenhöhe und Versatz nehmen zu. Ungemütlich wird es für mich, weil das Rebel Kajak, das mir Björns Frau für die Tour geliehen hat, am Süllrand undicht ist. Dadurch sitze ich in einer großen, kalten Pfütze.

Bei der Einfahrt in den Hafen von Schlüttsiel kommt uns die Fähre Hilligenlei entgegen. Wir freuen uns riesig schon jetzt zurück an Land zu sein. Die Rückfahrt war anspruchsvoll, aber schönes Seekajakpaddeln. Ich schaue mir die Werte von der Windmessstation auf Hooge an: 8 bis 9 Beaufort. Ohne den Tidenstrom hätten wir die 16 Kilometer wohl nicht geschafft. Beim Entladen der Kajaks ruft uns einer der Krabbenfischer aus Schlüttsiel zu: “Das ist doch kein Wetter zum Paddeln!”