Rund Gotland

Sommerzeit bedeutet schönes Wetter, warmes Wasser und lange Tage; also was könnte man besseres machen als Strandurlaub und Grillabende? Strandurlaub, Grillabende und währenddessen um Gotland paddeln.

Die größte schwedische Insel liegt mitten in der Ostsee und war zugleich ein weißer Fleck auf Justins und meiner Landkarte. Justin und ich kannten uns von einem Nordseewochenende, bei dem wir austesten konnten, ob so eine längere Tour für uns in Frage kommen würde. Nachdem das geklärt war, ging es 3 Wochen vor der Abfahrt an die Tourenplanung via Skype, denn Justin lebt im 500 km entfernten Düsseldorf. Wir trafen uns wieder im Hafen von Travemünde, wo meine Kajakausrüstung das Auto wechselte und wir dann gemeinsam die Fährfahrt nach Malmö antraten. Von Malmö ging es mit dem Auto entspannte 5 Std durch Schweden nach Oskarshamn, wo die Fähre nach Gotland auf uns wartete.

27 Stunden Anreise lagen hinter uns als wir nach Mitternacht die Zelte am Strand von Visby aufstellten. 27 Stunden in denen wir Zeit hatten, uns über die wichtigste Frage Gedanken zu machen. Denn die fundamentale Fragestellung ist doch erst einmal: Wie herum fährt man eigentlich?
Keiner von uns beiden wollte zum Schluss der Buhmann sein und sich anhören müssen: „Ja wären wir mal andersrum gefahren.“ Also blieb nur eine Möglichkeit: Eine Münze werfen. Die Münze entschied für eine Umrundung im Uhrzeigersinn. Nachdem das geklärt war, konnte uns auch nichts mehr an Land halten.

Das Meer begrüßte uns mit Wellenhöhen, wie wir sie nur sehr selten in Kiel haben. Trotzdem noch nichts, um mich einzuschüchtern. Justin hat nicht den Luxus, das Meer vor der Tür zu haben. Um auf die gleiche Trainingsstrecke von 20 km zu kommen, musste er 6 Runden um seinen See drehen. Ich konnte mir also vorstellen, wie gut sein Training in Wellen war. Doch die Erfahrungen im Rennkajak schienen sich bezahlt zu machen. Denn ohne groß mit der Wimper zu zucken, war er schnell in seinem Element.

Bei Multicopter, Tonequipment und großer Spiegelreflexkamera im Gepäck muss ich irgendwo Abstriche machen. Um trotzdem in neue kulinarische Tiefen vorzustoßen, habe ich mir ein 3-Stufen-Programm überlegt:

Stufe 1: Nudeln mit frischen Tomaten und Zuccini

Stufe 2: Nudeln mit Tomatensoße aus dem Glas

Stufe 3: Nudeln mit Pesto

Die Küste von Gotland ist geprägt von Kalksteinformationen. In Ufernähe ist es zudem die ersten 200 m oft flach, sodass man eine wunderbare Sicht auf die Unterwasserwelt haben kann.

Bei kalten Strömungen aus Norden und prallem Sonnenschein über Gotland kommt es bei einem Zusammentreffen der beiden Luftmassen oft zu Seenebel. Beim Paddeln spürten wir richtig, wie kurze warme Luftströme an uns vorbeizogen.

Dass wir die Insel Fårö mit zu der Umrundung zählen würden, war eigentlich keine Frage. Der nord-östliche Ableger von Gotland hat landschaftlich einige Highlights, wie den Rauk „Hund“ in Gamle Hamn, zu bieten.

Nachtplätze zu finden war wegen der vielen Strände nie ein Problem. Doch ich hasse Strand zum Zelten, besonders wenn der Sand super fein ist. Das kam aber zum Glück selten vor. Ein besonderes Highlight war der Zeltplatz bei Langhammar, der wie wir später rausfanden, auch auf dem 200 Kronen Schein zu finden ist. Die faustgroßen Steine habe fast keine Abstriche beim Schlafkomfort gemacht und außerdem: Der Blick war der Hammer.

Nachdem wir den nördlichsten Teil unserer Tour hinter uns hatten und sich die Kompassnadel nach Süden drehte, drehte leider nicht auch der Wind. Für die nächsten 200 km mussten wir uns bei 4-5 Bft Gegenwind jeden Tag ein Tagesziel setzen, um trotzdem genügend voran zu kommen.

Angekommen am Südkap von Gotland konnten wir den Rückenwind praktisch schon sehen, den Rückenwind, den wir uns so sehr die Tage zuvor gewünscht hatten. Vielleicht zu sehr, denn es wurde mehr Wind als uns lieb war.

7-8 Bft war der Jackpot für die Wind und Kitesurfer aus Stockholm. So hatten wir wenigstens etwas zu gucken, während unser Zwangspause.

10 von 14 Tagen hatten wir schon verbraucht und ein Viertel der Gesamtstrecke lag noch vor uns. Nach einem Tag Pause verging ein weiterer. Noch einen weiteren Tag konnten wir uns nicht mehr leisten. Die letzte Chance war das letzte Viertel mit 100 km in 2 Tagen zu paddeln. Sportlich aber machbar.

Bei ordentlich Kapeffekten waren die ersten Meter unserer letzten Etappe besonders entscheidend. Nach 2 Stunden war das Kap erledigt und es ging auf die Schlussgerade.
Auf dem Onlineportal der Fähre, die uns zurück zum Festland bringen sollte, mussten wir feststellen, dass alle Abfahrten für die nächsten 2 Wochen ausgebucht waren. Unsere Hoffnung war eine Standbylane, von der uns die Surfer erzählten. Wenn nicht alle Autos 6m lang sind oder jemand mit Ticket die Fahrt nicht antritt, könnte man damit noch einen Platz bekommen.

Nach 14 Tagen und 400 km zurück am Startpunkt. Doch keine Zeit für eine Sektparty, sondern schnell zur Fähre, um den vordersten Platz in der Standbylane zu erhaschen und anschließend zurück zu fahren.

Ein weiterer weisser Fleck auf der Landkarte ist damit verschwunden. Nun heißt es, den Winter über den Film zu dieser Tour zu schneiden, damit es nächsten Sommer wieder auf Tour gehen kann.